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Beitrag vom 27.12.2010
Ehemalige Mädchenschule in der Auguststraße hat Investor gefunden - Umbau zum kulturellen Treffpunkt für 2012 geplant
AVIVA-Redaktion
Die Jüdische Gemeinde zu Berlin hat am 17. Dezember 2010 mit der Michael Fuchs Verwaltungs GmbH einen Mietvertrag über die ehemalige Mädchenschule in der Auguststraße 11-13 in Berlin-Mitte...
...abgeschlossen. Michael Fuchs, der geschäftsführende Gesellschafter der Berliner Galerie Haas & Fuchs plant, mehrere Galerien und KünstlerInnenateliers verteilt über die vier Geschosse des Gebäudes anzulegen. Im Erdgeschoss will er Räume für einen Buchladen, im ersten Stock für ein Restaurant herrichten.
Der Architekt Alexander Beer konzipierte das Gebäude 1930 für 300 Schülerinnen mit 14 Klassenräumen. Beer, der auch das Waisenhaus der Jüdischen Gemeinde in Pankow baute, die Synagoge am Fraenkelufer und noch weitere, heute nicht mehr erhaltene Synagogen, starb 1944 im KZ Theresienstadt. 1942 wurde die Mädchenschule von den Nationalsozialisten geschlossen, das Gebäude wurde danach als Krankenhaus genutzt. Nach Kriegsende war es ein Gymnasium. Seit 1950 war die Polytechnische Oberschule "Bertolt Brecht" in dem Gebäude untergebracht. 1996 wurde sie aufgrund von SchülerInnenmangel geschlossen. Seitdem stand das Gebäude leer und wurde hin und wieder kurzfristig als Ausstellungsfläche genutzt.
Seit der Rückübertragung der Mädchenschule durch die Jewish Claims Conference (JCC) am 1. Oktober 2009 verfügt die Jüdische Gemeinde zu Berlin über das Ensemble von Gebäuden und Grundstücken der Auguststraße 11-17, zu dem auch die ehemalige Mädchenschule gehört. Das Areal umfasst auch das ehemalige Siechenhaus und das frühere Jüdische Krankenhaus. Diese Gebäude waren bereits in den 1990er Jahren übertragen worden. Das Krankenhaus bot von 1861 bis 1914 seine medizinischen Dienste an. Es sah sich dem Gedanken der "Zdakah", der "Barmherzigkeit und Gerechtigkeit" verpflichtet. Das Krankenhaus in der Auguststraße besaß von Anfang an einen hervorragenden medizinischen Ruf. Die Behandlungsmöglichkeiten, Ausstattung und sanitären Einrichtungen galten als vorbildlich.
1914 zog das Jüdische Krankenhaus nach Wedding um. Bis 1919 diente das Gebäude als Vereinslazarett der Heeresverwaltung. Von 1925 bis 1943 wurde es als jüdisches Kinderheim genutzt und erhielt den Namen "Ahawa" (dt.: Liebe). Die israelische Regisseurin Ayelet Bargur hat 2007 einen Dokumentarfilm über das Kinderheim gedreht. Der Film war eine Koproduktion des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb), des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) und des Israelischen Fernsehens. "Das Haus in der Auguststraße" wurde auf dem Haifa International Film Festival mit dem zweiten Preis in der Kategorie Dokumentarfilm ausgezeichnet und erhielt auch den "Prix Circom regional", der jedes Jahr an die besten regionalen Fernsehprogramme verliehen wird. Seit den 1990er Jahren beschäftigt sich auch die Publizistin und Historikerin Regina Scheer mit der Geschichte des Kinderheims, im Aufbau-Verlag erschien ihre Publikation "AHAWAH Das vergessene Haus".
Die Verhandlungen für die Nutzung des Ahawa und des ehemaligen Siechenhauses dauern weiterhin an. Die Kantorin Avitall Gerstetter ist eine der InteressentInnen. Sie möchte die Initiative "Ahawah - die Mehrreligionen-Akademie" auf dem Gelände der Auguststraße 11-16 in Berlin-Mitte verwirklichen. Zu diesem Zweck ist sie 2009 eine Kooperation mit der Porzellan-Manufaktur Meissen eingegangen. Zu seinem 300. Jubiläum Jahr präsentiert das Traditionshaus erstmals eine jüdische Porzellan- und Glaskollektion. Mit Meissens Hilfe will die Kantorin den Umbau des Kinderheims finanzieren.
Die Mädchenschule hingegen soll bereits bis 2012 zu einem kulturellen Treffpunkt in Berlin-Mitte werden. Mit Michael Fuchs hat das Projekt einen erfahrenen Leiter gefunden. Er arbeitete bereits in Londoner und Pariser Galerien wie Christie´s und Sotheby´s und war Direktor der Aberbach Fine Art in New York. Mit der Sanierung und dem Innenausbau wurde das ArchitektInnenpaar Almut Ernst und Armand Grüntuch beauftragt. Der aus Lettland stammende Grüntuch war bereits im Büro von Sir Norman Foster in London tätig und ist auch Lehrbeauftragter an der Hochschule der Künste. Der Mietvertrag der Michael Fuchs Verwaltungs GmbH beginnt am 1. Januar 2011, die Mietdauer beträgt zwanzig Jahre mit der Option auf weitere zehn Jahre. Die geplante Investitionssumme beträgt vier Millionen Euro, als Bauzeit wird ein Jahr veranschlagt.
Mit der Vermietung an Michael Fuchs hat sich die Jüdische Gemeinde gegen das Konzept von "C/O Berlin" entschieden. Die Galerie sucht seit der Kündigung ihres bisherigen Standortes im Postfuhramt im Sommer 2010 intensiv nach Alternativen. Um sein Kulturprogramm über den 31. März 2011 hinaus weiter anbieten zu können, diskutiert C/O Berlin derzeit mit dem neuen Eigentümer des Postfuhramts die Möglichkeit einer Verlängerung der Zwischennutzung an diesem Standort. Zudem hofft C/O Berlin auf eine Fortsetzung der Gespräche mit dem Senat und Bezirk, um die Zukunft des Ausstellungshauses in Berlin-Mitte zu sichern.
Auch in der Gemeinde wurde der Vertragsabschluss nicht von allen positiv aufgenommen. Der Repräsentant Gideon Joffe übte Kritik an der Vermietung. Das Gebäude sei ein "Herzstück der Gemeinde" und "unmöglich" zu vermieten. Für die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Lala Süsskind ist es dagegen das "schönste Chanukka- und Weihnachtsgeschenk". In der Berliner Morgenpost vom 17. Dezember wird sie wie folgt zitiert: "Das Großartige daran ist, dass die Gegend belebt wird. Ich hoffe, dass sich die Leute in dieses Areal verlieben werden."
Weitere Infos finden Sie unter: Jüdische Gemeinde zu Berlin und "Die Jüdische Allgemeine"
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Auszeichnung für den Dokumentarfilm über das Kinderheim in der Auguststraße von Ayelet Bargur
"AHAWAH. Das vergessene Haus"
"Interview mit Avitall Gerstetter"
"Das jüdische Berlin - Teil 1"
"Jüdisches Berlin - Photos aus Kaiserreich und Weimarer Republik"
(Quellen: AVIVA-Berlin, Jüdische Gemeinde zu Berlin, Jüdische Allgemeine, Berliner Morgenpost)